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EXISTENZIALISMUS

freiheit im sein

 
 
LEBENSRAUM

Freiheit ist kein realtiver Begriff, Freiheit ist erstmals eine reaktive Erfahrung.
Freiheit wird oft mit Unabhängigkeit gleichgesetzt, dem stimme ich nicht zu. Freiheit und Unabhängigkeit sind unterschiedliche Erscheinungsformen, wobei Freiheit einen inneren Zustand offenbart, dies nicht gleichzusetzten mit Unabhängigkeit ist.
 
 
 
 
 
 
Im verkörpertem Menschsein gibt es zu keiner Zeit absolute Unabhängigkeit. Wir sind nicht unabhängig im Bezug auf die Zeit. Niemand kann zu Beginn des Lebens seine Vorbestimmung ändern. Wir sind nicht unabhängig im Bezug auf die Kultur in die wir geboren sind, wir sind nicht unabhängig von der Religion in der wir erwachsen wurden. Wir sind nicht unabhängig von den Schlägen des Schicksals.

Freiheit vollzieht sich immer in der konkreten Situation. Solange wir uns unserer Freiheit im klarem sind, haben wir die Wahl, Situationen aktiv zu beeinflussen. Eben dadurch unterscheidet sich Freiheit vom Objekt.
Ein Stück Holz, das in einen Fluss geworfen wird, muss mit dem Strom schwimmen. Der Mensch kann gegen den Strom schwimmen. Dessen war sich Plotin bewusst, als er schrieb, wir hätten keinen Einfluss auf die Rolle, die wir im Drama der Existenz zu spielen haben, die Rolle, die uns vom Schicksal zugedacht wurde.

Wir haben jedoch Einfluss auf das Spiel selbst.
Unabhängigkeit in ihren unterschiedlichen Formen der Abhängigkeit bedeutet für uns gleichzeitig eine Verpflichtung. Eine Verpflichtung gegenüber unserer Epoche, eine Verpflichtung anderen Menschen gegenüber – und schließlich gegenüber unserem eigenen Leben. Manche Menschen mögen diese Verpflichtung beizeiten als eine Einschränkung oder gar als ein Joch erfahren. Aus diesem Grund wechseln manche Menschen ihr Leben, brechen mit Traditionen und Menschen. Wer einen solchen Bruch vollzieht, ist jedoch gezwungen, sich woanders neu zu verwurzeln.
Freiheit ist immer irgendwo verwurzelt.

Denn was bedeutet die Feststellung „Ich bin frei“?
Was bedeutet „Ich“? Es bedeutet, Ich bin in mir verwurzelt, mit meinen Werten, mit meiner Wahrheit mit meinem Leben.
All das ist mir zugehörig: meine Heimat, meine Sein, meine Werte, mein Lebenssinn.
All diese Relationen bestimmen, wer ich bin, bestimmen mein „Ich“.
Erst diese Identität versetzt mich in die Lage, meine Freiheit zu verstehen. Freiheit ist demnach kein abstrakter Begriff, keine ungezügelte, wurzellose Kraft. Eine Verwurzelung stellt keine Einschränkung der Freiheit dar. Ganz im Gegenteil, sie ist ihre notwendige Voraussetzung. Ohne Verwurzelung kann sich die Freiheit in eine zerstörerische Kraft verwandeln. Sich, zu sich selbst, seinen Wurzeln zu bekennen, ist eine Voraussetzung der Freiheit. Freiheit darf somit nie ihrer Wurzeln beschnitten werden.

Wir setzen diese authentische Dimension der Freiheit oft mit der Persönlichkeit gleich. Persönlichkeit, Freiheit und Authentizität sind in gewisser Hinsicht Synonyme. Freiheit sollte nicht nur eigenständig, sondern auch authentisch sein. Während Eigenständigkeit sich in jedem Handeln ausdrückt, offenbart sich Authentizität vor allem in schöpferischen Handlungen und in zwischenmenschlichen Beziehungen wie Liebe, Treue, Respekt Aufrichtigkeit und Loyalität.

Wer nicht wagt sich selbst zu sein, kann demnach nicht frei sein.

Stellen wir zum Abschluss die Frage nach Gott. Ist die Existenz Gottes eine Einschränkung der menschlichen Freiheit? So behauptete jedenfalls Friedrich Nietzsche: „wenn es Götter gäbe, wie hielte ich’s aus, kein Gott zu sein! An anderer Stelle fragte Nietzsche jedoch: „Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen?“ Und: „Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts?

Jean-Paul Sartre sah dies etwas anders, und es fällt schwer, ihm zu widersprechen. „Der Mensch ist nichts anderes, als wozu er sich macht. Das ist der erste Grundsatz des Existentialismus.
Der Mensch ist der Schöpfer seiner selbst, seine Existenz geht seinem Wesen voraus. Die Nichtexistenz Gottes war jedoch für Sartre kein Grund zur Freude: „Denn Dostojewski hat recht, wenn er sagt «Wenn Gott nicht existierte, so wäre alles erlaubt». In der Tat: Alles ist erlaubt, wenn Gott nicht existiert, und demzufolge ist der Mensch verlassen, da er weder in sich noch außerhalb seiner, eine Möglichkeit findet, anders gesagt, es gibt keine Vorausbestimmung mehr.

Der Mensch muss sich selber finden und sich überzeugen, dass ihn nichts vor ihm selber retten kann.
Menschliche Handlungen sind niemals relativ. „Indem wir sagen, dass der Mensch sich wählt, verstehen wir darunter, dass jeder unter uns sich wählt; aber damit wollen wir ebenfalls sagen, dass indem er sich wählt, er alle Menschen wählt. Tatsächlich gibt es nicht eine unserer Handlungen, die, indem sie das Bild des Menschen schafft, der wir sein wollen, nicht gleichzeitig ein Bild des Menschen schafft, so wie wir meinen, dass er sein soll. Wir dürfen tun, was wir wollen, weil wir frei sind. Doch wir konstituieren dadurch bestimmte Möglichkeiten, Muster des Menschseins, denen andere möglicherweise folgen. Indem wir diese Muster konstituieren, tragen wir die Verantwortung für all jene, die unserem Vorbild folgen.

Die Existenz Gottes enthebt unsere Freiheit nämlich nicht ihrer Verantwortung. Ganz im Gegenteil, sie macht uns diese Verantwortung erstmals bewusst.

Wir leben in einer Zeit, die von zwei Gefahren gekennzeichnet ist: der Angst vor der Freiheit und der Absolutisierung der Freiheit. Wir haben Angst vor der Freiheit, weil sie Mut, Aufrichtigkeit, selbstständiges Denken, schöpferische Verantwortung erfordert.

Freiheit benötigt Reife.
In einer gedankenlosen unkritisch überforderten Gesellschaft, in einer Gesellschaft ohne authentisch in sich gefestigten Leitfiguren, kann sich alles rasch in sein Gegenteil verkehren.

Es ist wichtig, frei zu sein. Es ist jedoch nicht minder wichtig, wie wir unsere Freiheit mit Inhalten füllen.

Schreibatelier sEINSWERK Ruth Amhof
Pupliziert 28. Dezember 2023

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